Vom Bärbel Hommel
Nun bin ich schon ein Jahr alt. Anfang Juni hatte ich Geburtstag.
Und ihr könnt euch nicht vorstellen, was ich für ein Geschenk von meinen Menschen zum Geburtstag bekommen habe! Ok, es war nicht sooo schlimm, aber ich möchte mal wirklich wissen, ob die Menschen sich auch den Besuch in einer Tierklinik zum Geburtstag schenken????
Und das Ganze nur, weil meine Familie den Züchtern versprochen hatte, dass ich mal ein „Deckrüde“ werden soll. Was ein Rüde ist, weiß ich ja inzwischen, aber was ist nun wieder ein „Deckrüde“???
Und um so etwas zu werden, bedarf es angeblich einiger Voraussetzungen.
- Ich muss zu einer Hunde-Modenschau. Drei Mal mindestens.
Hört mal Leute, mein Frauchen meint jetzt schon immer, dass ich der schönste Rüde unter der Sonne sei (gleich nach meinem Freund Otto), den sie kennt … warum dann nochmal so einen Stress machen? Ich war ja noch nie auf einer Hunde-Modenschau, aber ich befürchte, das könnte anstrengend für mich werden, denn bei einem Besuch von Frauchens Freundin Anita hörte ich, wie die beiden Frauen etwas von „anfassen üben“ und „peinlich“ flüsterten. Und was sie damit meinten, spürte ich 20 Minuten später auf meinem Kämmtisch. Erst durfte Anita sich meine Zähne anschauen (das hatte mein Frauchen bereits prima vorbereitet und ein Kommando „Zähne“ aufgebaut). So wusste ich, was mich nach dem Kommando erwartete. Das war nicht schlimm.
Das Kommando „Zähne“ kam also, und ich durfte Frau Anita meine strahlend weißen Zähne zeigen.
Und dann … dann wanderten ihre Hände, mit einem süffisanten Grinsen, zwischen meine Hinterläufe … ok, sie war ganz lieb und vorsichtig, aber das hätte auch schief gehen können. Immerhin ist es die wichtigste Körperstelle für mich. Was sollte das nun wieder werden??? Und wozu sollte das gut sein?
Inzwischen weiß ich, dass das wohl die ehrenwerten Richter bei diesen Hunde-Modeschauen auch machen wollen. Also sie schauen sich die Zähne an und, bei Rüden wie mir, auch das, was ein Rüde ebenso braucht, um sich fortpflanzen zu können. Deswegen wollte Frauchen mit mir schon vorher üben. Sie meinte aber auch, dass solche „Anfass-Übungen“ für mehrere Sachen sinnvoll sein können, wie z. B. für einen Tierarztbesuch. Und das konnten wir schon bald testen:
- Ich musste zu einem ganz speziellen Tierarzt, der sich meine Hüftgelenke und mein Herz anschaute und mein wertvolles „Rüdenblut“ für eine spezielle Blutbank in Gießen abnahm.
Als mein Frauchen mich eines Morgens, als meine Hundekumpels ihr Frühstück bekommen sollten, separierte, ahnte ich Schlimmes. Kein Frühstück – oh je – und kein Leckerchen von Herrchen nach dem Menschen Frühstück, eijeijei …
Und dann zog Frauchen mir auch noch mein Ausgehhalsband an, nahm meine Ausgehleine, ging in ihr Arbeitszimmer und holte meinen „Personalausweis“ (Ahnentafel), meinen Impfausweis und noch ein paar besondere Dokumente und sortierte diese in ihre Tasche.
Woher ich das weiß? Na, hört mal … ich bin ihr natürlich keinen Schritt von der Seite gewichen. Wer weiß, was ihr sonst noch eingefallen wäre?
Dann ging es in das „Tiergesundheitszentrum Grußendorf“ nach Bramsche. Nebenbei erwähnt – immer noch mit leerem Magen!
Wenigstens die Sonne schien auf der Fahrt dorthin.
Als wir ankamen, musste ich erstmal mit Frauchen einen Feldweg auf und ab laufen, damit ich nicht mit voller Blase zur Untersuchung gehen musste. Tja, das war meine Erklärung, aber mein Frauchen meinte wieder zu mir, dass sie befürchtete, dass ich evtl. die Tierklinik als mein persönliches Facebook nutzen könnte. Das würde mir nie in den Sinn kommen, was sie wieder von mir denkt. Und dass ich so etwas nicht mache, habe ich ihr auch gleich bei der Anmeldung im Empfangsbereich der Klinik bewiesen. Wie ich nämlich feststellen durfte, hatten an dem Empfangstresen bereits einige Vierbeiner ihre Nachrichten hinterlassen. Ich habe alles gelesen, alles … aber nicht geantwortet!!!
Ich glaube, da fiel meinem Frauchen schon mal ein riesiger Stein vom Herzen.
Die Zeit im Wartezimmer nutzte ich für eine intensive „Feldstudie“. Ihr glaubt nicht, wie viele Kollegen ich dort kennengelernt habe. War das spannend! Besonders leidgetan hat mir ein älterer Terrier, der von seinem Frauchen hinter sich hergezogen wurde, obwohl er alle Bremsen angezogen hatte . Und ein brauner, nackiger Hund (mein Gott, der hatte ja keinen Mantel an), der hatte einen dicken Gips am rechten Hinterlauf, der Arme!
Ich war gerade noch vertieft in meine Beobachtungen, da kam auf einmal eine große, weiß gekleidete Frau auf uns zu. Frauchen und die Dame begrüßten sich freundlich und dann gingen wir in einen kleinen Raum, in dem noch eine weitere nette Frau auf uns wartete. Drei Frauen und ich, was wollte ich mehr? Und alle waren super lieb zu mir. Die etwas größere Frau im weißen Kittel, das war wohl die Chefin dort … die fand ich ja total lieb. Sie streichelte mich und kam zu mir runter, um mich zu untersuchen. Die andere Frau lächelte mich auch immer an.
Dann sollte ich auf einem blauen Tisch und mich auf die Seite legen, damit sie mit dem Ultraschall mein Herzchen untersuchen konnten. Mein Frauchen fragte die Ärztin, ob sie mich auf den Tisch legen dürfe, weil ich diese Übung bereits kennen würde.
Wir hatten nämlich beide daheim schon geübt (vor allem beim Kämmen), dass es nichts Schlimmes ist, wenn sie mich umfasst und auf die Seite legt. Sie war ganz vorsichtig mit dem Angewöhnen, da ich es positiv verknüpfen sollte.
Davon konnte sich die nette Ärztin dann auch gleich selber überzeugen, denn mein Puls war während der Untersuchung langsam und ruhig.
Dann kam die nächste Untersuchung. Dazu schickten die beiden Ladies mein Frauchen ins Wartezimmer und meinten, in ca. 30 Minuten wäre ich wieder bei ihr. Angst hatte ich keine, denn die beiden waren so nett zu mir. Das konnte nicht schlimm werden.
War es dann auch nicht. Sie haben meine Hüften geröntgt und etwas „Rüdenblut“ abgenommen. Die nette Ärztin meinte, es wäre aus ihrer Sicht alles in Ordnung und ich könnte dann auch schon heim zu meinem Herrchen und meinen vierbeinigen Freunden.
Frauchen war mega stolz auf mich! Sie sagt, dass sich jetzt unser Training ausgezahlt habe. Denn die medizinischen Untersuchungen, die fremden Menschen, die ungewohnten Gerüche, das „überall Angefasstwerden“ und die vielen anderen Hunde, das muss alles trainiert werden, damit es nicht zum Problem wird, wenn man erwachsen ist.
Achso, und bevor ich es vergesse: Eine dritte Voraussetzung muss ein „Deckrüde“ noch erfüllen. Er muss zu einem Wesenstest. Dieser wird von seinem zugehörigen Rasseverband organisiert, wenn die ersten beiden Voraussetzungen erfüllt wurden und es keine medizinischen Einwände gibt.
Ich bin ja mal gespannt, ob sich dieser ganze Aufwand für mich auch wirklich lohnt, um ein sogenannter „Deckrüde“ zu werden.
Dieses ganze Gedöns wegen dem „Deckrüden“ hat aber auch einen aktuellen Bezug zu meiner Ausbildung zum Therapiebegleithund. Frauchen meint, dass nennt man auch soziales Lernen. Ihr seht, man kann auch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Ich frag mich nur gerade, was jetzt das Angenehme sein könnte??????
Tschüss, euer Keks (Deckrüde in Lauerstellung)